Und sie hat es wieder getan:
Mit ihrem Spaltbeil-Satz “Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten, sondern einen Minister berufen”, hatte Angela Merkel schon eine Persönlichkeitsaufspaltung Guttenbergs in einen betrügerischen, aber unwichtigen und einen nützlichen und brauchbaren Teil vollzogen.
Und nun wieder:
Guttenbergs Dissertation sei "Teil eines früheren, von seiner Ministertätigkeit völlig getrennten Lebensabschnitts", so die Bundeskanzlerin.
Aber doch nicht getrennt vom Menschen!
Was geschieht hier?
Die Sätze der Angela Merkel schmerzen in mir, schmerzen wie eine Wunde, weil da eine Einheit aufgebrochen wird. Die Einheit: Etwas sehr Subtiles, aber zutiefst Wichtiges, etwas wesentlich Existentielles – und das mit ungeahnten Konsequenzen.
Die Sätze der Angela Merkel spalten den Menschen auf und sprechen von der Verantwortung für das eigene Tun los.
Der Schatten eines Menschen kann nun mit Wohlwollen einer hohen politischen Autorität abgetrennt werden von der Person: Hier der glänzende Menschenfänger – und da, im Dunkeln, kaum zu sehen und nicht wichtig – der Fälscher, der Lügner, der Täuscher, der Betrüger, der Blender.
Der strahlende Minister und sein personifizierter Schatten: Nicht angenommen, nicht integriert, nicht verantwortlich, nicht aufgearbeitet.
Meinetwegen kann Guttenberg ja sogar wiederkommen nach einer Zeit des Rückzuges. Aber doch nur, wenn seine Persönlichkeit wirklich nachgereift ist, er Verantwortung übernimmt, “Ich” sagt zu dem, was er ist und tut und getan hat. Falls er dagegen nur abwartet, um unverändert weiterzumachen, dann ist es dies:
Verführerisches, verführendes Charisma und sein dunkler Schweif.
Gefährlich.
Der Fälscher, der Täter, das war nur der Schatten, der Doppelgänger, irgendwann … und nicht die Person, die als Minister nützliche Dienste leistete?
Die Signalwirkung der Merkel’schen Sätze weist weit weit über Guttenberg hinaus:
Mit welchem Recht – ja, ich weiß, die Vergehen sind nicht vergleichbar – verjährt Mord nicht? Nach 20 Jahren gehört er doch zu einem völlig anderen Lebensabschnitt, den der Täter lange hinter sich gelassen hat.
Mit welchem Recht verfolgt man immer noch die übriggebliebenen RAF-Terroristen, die längst ein gutbürgerliches Leben leben – weit weg von ihren Aktivitäten Jahrzehnte vorher?
Mit welchem Recht macht man heute noch Jagd auf die letzten Nazi-Aktiven oder Stasispitzel, die schon längst und seit Jahrzehnten in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit oder der weiten Welt gute Juristen, Ärzte und was auch immer sind?
Hohe SS-Funktionäre waren wunderbare Familienväter. Ihr “berufliches Tun”, ihre “Karriere”: Ein anderes Feld?
Die Sätze der Angela Merkel schmerzen in mir, schmerzen wie eine Wunde, weil da eine Einheit aufgebrochen wird. Die Einheit: Etwas sehr Subtiles, aber zutiefst Wichtiges, etwas wesentlich Existentielles – und das mit ungeahnten Konsequenzen.