Blick über den Zaun: Die Schweiz
Ich finde es immer wieder interessant, Berichte über den Zustand des Bildungssystems anderer Länder zu bekommen.
Im empfehlenswerten MAMA BLOG der Schweizer Tageszeitung Tagesanzeiger gibt es einen Artikel über den generellen Zustand des Schulsystems der Schweiz und vor allem auch über das, was bei uns ja auch im Gange ist: Die Vorbereitungen/Konsequenzen der Integration von Sonder-/Förderschülern, die von allen Ländern durchgeführt werden muss, die – wie Deutschland auch – die UN-Behindertenkonvention unterzeichnet haben (siehe auch hier und hier).
Titel des Artikels: Ein Kind = 3 Kühe
Auszug: “«Unser Bildungssystem ist im Grunde noch immer eine gigantische Sortiermaschine», kritisierte Bildungsforscher Andreas Schleicher im Interview die Schweizer Volksschule und monierte: «Im Bildungsbereich stehen wir etwa dort, wo die Medizin vor 100 Jahren war: Viel Ideologie, viel Tradition, sehr wenig Wissen. Und dann kommen Bildungspolitiker und stülpen eine Reform auf die andere. Das ist, als ob man irgendwelche Medikamente produziert und sagt, das wird schon nützen. Und die Medikamente dann dreissig Menschen ohne individuelle Diagnostik verabreicht.»
Wie wirkungslos die bis anhin verabreichten Medikamente tatsächlich waren, zeigt der Rückzieher von Regine Aeppli: Das Ergebnis der Vernehmlassung ist eine wahrhaft bittere Pille: Weder Lehrerschaft und Schulleitungen noch die Behindertenverbände, die sich einst für die schulische Integration stark machten, glaubten daran, dass Sonderschüler mit den heutigen Mitteln in Regelklassen angemessen gefördert werden können: Die Klassen sind zu gross, es fehlt an sonderpädagogisch ausgebildetem Personal und an der Bereitschaft der Lehrerinnen und Lehrer, noch mehr aufgebürdet zu bekommen. Denn in Zürich werden diese, anders als etwa in Basel, nur rund 9 Stunden pro Woche von Heilpädagogen entlastet. Der Rest der Woche muss die Lehrerschaft selber schauen, wie sie mit Behinderten und Hochbegabten auf dem selben Schulbank klarkommen.
«Integration ist auch eine Frage der persönlichen Einstellung, und die kann man kaum verordnen», sagte Aeppli am Freitag vor der Presse. Damit hat sie im Grundsatz sicher recht. Konkret aber scheiterte das Integrationskonzept weniger an der persönlichen Einstellung des Lehrkörpers, als vielmehr an der fragwürdigen Einstellung der Schulpolitiker: Ein Kanton, der wie Zürich seit 1999 einen Zuwachs von Sonderschulzuweisungen von 40 Prozent verzeichnet und dieses Problem so lösen will, dass der Kanton dabei 17 Millionen spart, macht ein klares Statement: Die Volksschule ist ein Sparschwein.
«Für einen Primarschüler wird pro Jahr rund 12′000 Franken ausgegeben, für eine Milchkuh 4000 Franken», rechnete der Basler Ökonomieprofessor Silvio Borner schon vor fünf Jahren vor und bezeichnet die Gleichung «3 Kühe = 1 Kind» als «grotesk»”
Beruhigend oder enttäuschend?: Die Probleme scheinen sich hüben und drüben nicht sehr zu unterscheiden…