Archiv für den Oktober, 2008

Stipendien – Stiftungen

Studenten, die sich finanzielle Unterstützung erhoffen durch ein Stipendium, finden Informationen auf folgenden Seiten:

Stipendium Plus – Begabtenförderung im Hochschulbereich
Deutsche Forschungsgemeinschaft – DFG
Deutscher Akademischer Austausch Dienst DAAD
Bundesverband Deutscher Stiftungen

 

Diskriminierung von Frauen: Es bleibt schwierig

Da ist eine studierte Frau, Hauptverdienerin der Familie – und mit Herzblut bei der Arbeit. Der R+V Konzern ist voll des Lobes.
Sie ist allerdings Türkin, Sule Eisele-Gaffaroglu, wenn auch schon in Deutschland geboren. Dann wird sie auch noch schwanger. Sie will nach der Mindestmutterschutzzeit sofort weiterarbeiten, weil ihr Einkommen halt das Familieneinkommen ist.
An ihrem letzten Arbeitstag vor dem Mutterschutz darf sie ihren Nachfolger begrüßen: männlich, deutsch, dazu mit einem noch höheren Gehalt.

Man lese in der Süddeutschen: Hochschwanger ohne Existenzgrundlage und weiter Schwanger, türkisch, degradiert.

Ob nach dem Gleichbehandlungsgesetz vor Gericht nun wirklich einmal ein Exempel statuiert wird, muss man abwarten.
Der R+V-Konzern jedenfalls fährt die harte Linie.

Aber seit bekannt wurde, dass Versicherungen im Internet Arbeitgebern großzügigerweise Argumentliste und Musterkündigungen für Schwangere und Behinderte zur Verfügung stellen, wundert einen da nichts mehr.

Ich habe den Eindruck, jeder kickt im Moment die Frauen dahin, wo er sie am praktischsten findet.

 

Drill für Jungs – Freie Lernräume für Mädels?

Über die Problematik der Rolle der Jungen in der heutigen Pädagogik wird in letzter Zeit häufig hingewiesen.

“In den jüngsten Statistiken liegen die Mädchen in der Schule bei den mittleren und den höchsten Abschlüssen vorn. Der Anteil weiblicher Schüler an den Gymnasien wächst, während an den Hauptschulen, den Sonder- und den Förderschulen die männlichen Schüler dominieren. Inzwischen verlassen fast doppelt so viele Männer die Schule ohne Hauptschulabschluss wie junge Frauen. Heute erwirbt etwa ein Drittel der jungen Frauen die Hochschulreife, während es bei den jungen Männern nur ein Viertel so weit schafft.”

Ein Grund für schwierige Situation vieler Jungen in Schule und Ausbildung wird in der “Verweiblichung” der Pädagogik gesehen. Dass überproportional mehr Frauen als Männer in erzieherischen Berufen tätig sind, ist nun wirklich kein Geheimnis. Zum einen gibt es das unglaublich große “Heer” der alleinerziehenden Mütter. Vater Fehlanzeige. Zum anderen mag der extrem hohe Frauenanteil vor alleim in der Vorschul- und Grundschulbildung darin begründet sein, dass, wie schon einmal erwähnt wurde, “Arbeit desto schlechter bezahlt wird, je näher sie am Menschen ist.” Kann man mit dem Gehalt eines Erziehers/einer Erzieherin eine Familie ernähren?

Die Gründe für die problematische Entwicklung vieler Jungen, zumal derer mit Migrationshintergrund, sind jedoch vielfältiger. Die ZEIT widmet diesem Thema einen interessanten Artikel.

“Mädchen wollen deutlich häufiger als die Jungen eine anspruchsvolle Bildungslaufbahn am Gymnasium mit Abitur als Fernziel durchlaufen. Sie sind ehrgeiziger als die Jungen. Sie fallen zudem durch ein viel kreativeres Freizeitverhalten auf. Steht bei allzu vielen Jungen die stundenlange Beschäftigung mit elektronischen Medien im Vordergrund, so kombinieren die meisten Mädchen die medialen Anregungen mit alle Sinne ansprechenden Aktivitäten. Handarbeit, Tanzen, Sport, Musizieren und Basteln sind bei ihnen viel stärker verbreitet als bei Jungen.
Das wenig anregende Freizeitverhalten der Jungen hat eindeutig negative Effekte auf ihre Lern- und Bildungsmotivation. Denn durch Fernsehen, Computer und Spielkonsolen werden über viele Stunden am Tag der Sehsinn und der Hörsinn bis zum Gehtnichtmehr trainiert, aber andere wichtige Entwicklungsimpulse bleiben aus. Wie die Hirnforschung bestätigt, kommt es bei einer solchen einseitigen Anregung nicht zu der für eine gesunde Entwicklung notwendigen Verschaltung von Sinneszentren und entsprechend auch nicht zu optimalen sozialen, emotionalen und intellektuellen Kompetenzen.”

Beschrieben wird im Artikel der ZEIT auch, dass zwar die Frauen in den letzten Jahrzehnten zu einem neuen Selbstverständnis ihrer Rolle gefunden haben, so schwierig und unvollkommen das alles bisher auch verwirklicht worden ist, Jungen und Männer, auch hier wieder ausgeprägter bei vorliegendem Migrationshintergrund, jedoch sehr häufig noch von Bildern des “Mann-Seins” beherrrscht werden, die nicht mehr aktuell sind – mit fatalen Konsequenzen:

“Die jungen Männer ziehen hier nicht mit. Nur eine Minderheit von ihnen kann sich eine echte Arbeitsteilung mit der späteren Partnerin vorstellen. Sie klammern sich am traditionellen Männerbild mit der Fixierung auf das eine K der Karriere fest. Sie glauben, als Angehörige des männlichen Geschlechts nach wie vor eine garantierte Option auf den beruflichen Erfolg und die Rolle des Familienernährers zu haben. Entsprechend wenig Ehrgeiz wird deswegen in die Schule investiert.”

Und weiter:
“Das traditionelle Männerbild herrscht in fast allen europäischen Ländern auch bei den Jugendlichen noch vor. Es ist durch ein instrumentelles Verhältnis der jungen Männer zu ihrem Körper geprägt. Völlig anders bei den Mädchen und den jungen Frauen. Sie bauen spätestens mit der ersten Menstruation ein sensibles und sehr bewusstes Verhältnis zu ihrem Körper auf. … und entsprechend fällt es ihnen leichter, sich bei Anspannungen und bei Belastungen, auch bei Leistungsproblemen anderen gegenüber zu öffnen. Die jungen Männer hingegen sind in ihrer Geschlechtsrolle befangen und schneiden sich damit von möglichen kritischen und selbstkritischen Impulsen für ihre Weiterentwicklung ab. Das überträgt sich indirekt auf ihre Leistungsfähigkeit. Die Studien zeigen nämlich, wie unrealistisch ihre subjektive Einschätzung von Begabung und Fähigkeiten ist. Die Jungen glauben nicht nur, sie seien körperlich unbesiegbar, sie glauben fatalerweise auch, in der Schule richtig gut abzuschneiden, auch wenn das nicht der realen Bewertung entspricht.”

Fazit:
“Als das bisher benachteiligte Geschlecht in Bildung und Beruf entdecken die jungen Frauen die Mechanismen des Aufstiegs durch Leistung und machen sie sich zunutze. Die Männer verschlafen diese Entwicklung, weil sie glauben, der hohe soziale Status sei für sie gesichert. Sie verkennen die Spielregeln der modernen Leistungsgesellschaft.”

“Neue Männer braucht das Land” – Das heißt, dass es wohl tatsächlich so ist, dass vielen Jungen positive männliche Identifikationsfiguren fehlen, an deren Vorbild sie neue Selbstverständlichkeiten des “Mensch-Seins” als Mann für sich entwickeln könnten.

“Sie müssen die Gelegenheit haben, als machtvoll und überlegen aufzutreten, den sozialen Raum um sich herum zu erobern und die besonderen Formen der männlichen Selbstbehauptung zu praktizieren. Sie müssen »Mann« sein dürfen. Entsprechend wichtig sind Bewegungsimpulse nicht nur im Sport und in den Pausen, sondern möglichst in jeder Stunde. … Das Fernziel der Männerförderung ist dann, analog zur Frauenförderung, die Fixierung auf die traditionelle Geschlechtsrolle abzubauen und zu einem flexibleren Verständnis von Mannsein zu kommen. Das ist die wichtigste Erkenntnis der Studien: Die Leistungsfähigkeit der jungen Männer kann effektiv nur dann gefördert werden, wenn ihre gesamte Perspektive der Lebensführung inklusive ihres Körper- und Begabungsselbstbildes zum Thema wird.”

Die Frage ist nur, was die in der Überschrift des ZEIT-Artikels formulierte Forderung “Lasst sie Männer sein”, die sicher ihre Berechtigung hat, dann wiederum für die Pädagogik der Mädchen bedeutet.

Also doch wieder zurück zur Geschlechtertrennung im Unterricht?

Es scheint vieles dafür zu sprechen – und dass sich die Geschlechter dabei aus den Augen verlieren könnten, das braucht man heutzutage ja nun weiß Gott nicht mehr zu befürchten.

Pro Trennung: Bei Mädchen kommen dabei erwiesenermaßen bessere Leistungen in naturwissenschaftlichen Fächern und in der Mathematik heraus – und bei den Jungen könnten stärkeres körperliches Abreagieren und klarere Regeln für eine positive Entwicklung – auch in sozialer Hinsicht – förderlich sein.

“Durch Ansätze des »offenen Unterrichts« und unstrukturierte, auf Harmonie und Konfliktunterdrückung ausgerichtete pädagogische Arbeit, die vielerorts vorherrscht, haben Mädchen bessere Entfaltungsmöglichkeiten als Jungen. Ein gut strukturierter und regelgeleiteter Unterricht, das hat schon die Reformpädagogik in den 1920er Jahren immer wieder betont, schafft klare Erwartungen und drückt gleichzeitig Wertschätzung für jedes Gemeinschaftsmitglied aus. Das brauchen Jungen heute, um sich in die Welt der schulischen Leistung einfügen zu können. Kommt ihnen diese Welt allzu weiblich daher, dann stellen sich bei ihnen Fremdheitsgefühle ein, und sie können keine guten Fachleistungen abliefern.”

Drill für Jungs – Freie Lernräume für Mädels?

 

Der Gipfel: Es geht ja nur um Bildung…

Bildungsgipfel wie zu erwarten. Hat jemand an wirkliche Ergebnisse geglaubt?
Hatte jemand ernsthaft die Hoffnung, die Bundesländer würden sich bewegen?
Viel Geld soll investiert werden – aber es sind keine wirklichen Ziele formuliert worden. Jedes Bundesland wird also wieder herumkleckern.

Der Berg kreiste – und heraus kam eine Maus.
Die SZ titelt dann auch entsprechend: Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet.

Scharfe Kritik an Ergebnissen des Bildungsgipfels heißt heute der Artikel der WAZ zum Thema, nachdem sie gestern noch etwas “brav” genachrichtet hatte: Bund und Länder schnüren Milliardenpaket für Bildung.

Die ZEIT ist auch mehr als skeptisch: Kompromiss auf wackligen Füßen und einen Tag später sogar: Eine herbe Enttäuschung.

Der SPIEGEL wird ebenfalls deutlich: Länderchefs blockieren Merkels Prestigeprojekt.

Wer es nicht lassen kann und noch mehr zum Runterziehen braucht, der lese weiter in der Süddeutschen: Die Macher blieben daheim.
Die SZ legt noch nach: Bildung und Föderalismus – Ein deutscher Sadismus wird dort jetzt zusätzlich getitelt. Man lese…

Wer sich jedoch stattdessen ein paar schöne, warme Gedanken machen will – und immer noch Illusionen für kommende Realität halten kann, der findet immerhin etwas Aufbauendes bei der ZEIT. Ein Artikel dort zum Thema lautet: Bildungsgipfel Deutschland mit dem Untertitel Was die Kanzlerin heute bei ihrem Treffen mit den Länderchefs sagen müsste: Vorschlag für eine Regierungserklärung zur Bildung

Ach, das wäre doch was…

Und wovon träumen wir morgen?

Ach ja: Was bleibt, ist Streit ums Geld. Nachzulesen in der ZEIT.

 

Vorbildhaft

Es sage keiner mehr, niemand wisse doch, wie man heute Schule “richtig” und richtig gut machen könne. Dass es mittlerweile durchaus Schulen gibt, die wegweisend sein können, darüber berichtet ein Artikel der ZEIT mit dem Titel Freiarbeit statt Stundenplan, der Quelle der folgenden Zitate ist.

Es gibt sie also wirklich und wahrhaftig, die Vorbilder – und sie funktionieren gut!!
Ihr Geheimnis: Diese Schulen steigen aus der Tradition der Belehrung aus. Sie arbeiten an einer anderen Choreografie.

1.) Die Bodenseeschule, Friedrichshafen
“Morgens, kurz nach halb acht. Der Lehrer ist schon da. Auch die ersten Schüler kommen vor Unterrichtsbeginn. Der Lehrer begrüßt sie mit Handschlag, wie ein Gastgeber. Er hat bereits einiges vorbereitet. Die Schüler holen sich ihr Material ab und legen los. Einfach so. Sie warten nicht auf den Gong. Die Schüler sind in der Pubertät, es ist eine Hauptschulklasse. Das sei eigentlich der Tiefpunkt, hört man überall, 7. Klasse Hauptschule, oh je. Aber vom täglichen Kleinkrieg oder vom „pädagogischen Lazarett Hauptschule“ ist hier nichts zu spüren.”

2.) Die Max-Brauer-Schule in Hamburg Altona, die von der Vorschule bis zum Abitur geht und bei Pisa bestens abschnitt.
“Auf diesen Lorbeeren wollte sich die mit dem deutschen Schulpreis ausgezeichnete Schule aber nicht ausruhen. Eine Lehrergruppe hat über Jahre ihre „Traumschule“ konzipiert und schließlich die Schulkonferenz überzeugt. Für die Schüler wird ab der fünften Klasse das tägliche Lernbüro eingerichtet, in den ähnlich wie in der Bodenseeschule jeder morgens an seiner Sache, man könnte auch sagen an sich selbst arbeitet: Mathe, Schreiben, Lesen. Lehrpläne wurden in Kompetenzraster umformuliert. Jeder kennt die Ziele. Stolz sagen nun die Lehrer, dass sie nie mehr Dompteure sein wollen. Neben dem Lernbüro gibt es Projekte, zum Beispiel in den Naturwissenschaften. Eine dritte Säule sind Werkstätten für Musik, Kunst, Theater oder auch Kochen. Lehrer arbeiten dabei mit Künstlern und Handwerkern zusammen. Zunächst zweifelten die Pädagogen, ob Schüler einen so weiten Spannungsbogen überhaupt durchhalten. Bald wurden sie überrascht. Die Zeit reicht den Schülern nicht, sie wollen oft mehr. Und auch die Lehrer sind nun länger in der Schule. Manchmal gehen sie erschöpft nach Hause, aber fast immer zufriedener als früher.”

3.) Bürgeln, Schweiz
“Dort wurden in der Sekundarschule die Wände eingerissen. Mehr als 60 Schüler aus drei Klassen eines Jahrgangs teilen sich nun mit vier Lehrern eine sogenannte Lernlandschaft. Die Lehrer arbeiten im Team. Das ist für Schüler eine neue und wirklich nachhaltige Erfahrung.”

4.) Romanshorn, Bodensee
Schulgründer Peter Fratton: “Lehrer sollten niemals Schüler motivieren, sie müssen selbst von etwas begeistert sein. Auch in den von ihm gegründeten „Häusern des Lernens“, die im Besitz der Lehrer sind, wurden Klassenräume zu Lernateliers umgebaut. Es gibt Arbeitsplätze für Lehrer, die jetzt Lernbegleiter heißen. Es gibt Laptop-Galerien zum Recherchieren für die Schüler, die man nun Lernpartner nennt.”

Es gibt sie also, die Aufbruchsstimmung. Es gibt sie also, die Schulen und Lehrer, die nicht mehr klagen, sondern wagen. Etwas ganz Neues, Eigenes schaffen.

Kopf in den Sand stecken gilt nicht mehr!

 

Ein erster Schritt…

… ist gestern getan worden mit den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz bezüglich der Vereinheitlichung der Lehrerausbildung in, ja, tatsächlich: ALLEN Bundesländern.
Im Bericht des Deutschlandradios Online Gleiches Studium, gleiche Qualifikation wird darüber berichtet, dass die Kultusminister der Länder für insgesamt 20 Fächer Fachprofile für Lehramtsstudiengänge entwickelt haben. Sie haben sowohl die inhaltlichen als auch die (fach-)didaktischen Voraussetzungen definiert, über die ein Lehramtsstudent am Ende seines Studium verfügen muss. Wenn die fertigen Lehramtsstudenten auf den Arbeitsmarkt kommen, dann soll jedes Land darauf vertrauen können, dass die Ausbildung auf dem gleichen Niveau stattgefunden hat.

Das ist die hehre Theorie. Das Problem dabei zeigt Horst Günther Klitzing, stellvertretender Vorsitzender des deutschen Philologenverbandes, auf:
“‘Die Realitäten werden an den Hochschulen geschrieben. Alle Länder haben ihren Hochschulen Autonomie verordnet und die werden auch davon Gebrauch machen. Deshalb konnte es auch nur inhaltliche Standards geben und keine Festslegungen im Sinne von Lehrplänen wie wir sie für die Schulen kennen.’

Einen ersten Streit hat es …bereits darüber gegeben wie viele und welche praktischen Anteile ins Studium eingebaut werden. Denn bislang lag die Verantwortung für die Studieninhalte bei der Hochschule und die Verantwortung für die Praxis im Rahmen des Referendariates bei den Kultusministern.”

Außerdem: “Der Weg zum Examen bleibt in den Bundesländern unterschiedlich geregelt, daran ändert auch der heutige Beschluss nicht viel. Manche Länder, darunter Bayern, das Saarland, Hessen und Baden-Württemberg halten am Studienmodell Staatsexamen fest. Wieder andere stellen sich dem Bologna-Prozess, der die Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen zum Ziel hat und bieten Bachelor und Masterstudiengänge für angehende Lehrer an.”

Es bleibt also alles bunt.

Wenn der Beschluss der Kultusministerkonferenz aber tatsächlich einheitlich umgesetzt werden sollte, dann bleibt zu hoffen, das nicht das zutrifft, was in einem Kommentar unter einem entsprechenden Bericht der Süddeutschen zum Thema Was Lehrer wissen müssen hinterlassen wurde – und was gar nicht so abwegig scheint angesichts des Umgangs mit der Lehrerin S. Czerny in Bayern, die zu gut war und der von Amts wegen befohlen wurde, sich dem Niveau um sie herum anzupassen: “Es ist dann wohl auch nicht mehr erlaubt, mehr zu wissen, als der Katalog vorgibt.”

 

Nanny für minderjährige Studenten?

Einen praktischen Aspekt des “Turbo-Abis”, der vor allem dann Fragen aufwirft, wenn Schüler auch noch eine Schulklasse übersprungen haben, stellt die CDU-Gemeindefraktion in Karlsruhe zur Diskussion: Wohin mit den minderjährigen Studenten? heißt der Artikel der Seite ka-news.de, der dieses Thema aufgreift.

Diese Frage ist natürlich weit über den Lokalbereich Karlsruhe von Interesse.
Was ist mit 17-, 16- oder gar 15jährigen Abiturienten, die weit weg von zu Hause studieren wollen?
Muss es für diese Youngster spezielle Wohnheime geben? Besondere Betreuungsangebote? Mentorenprogramme?
Oder sind die jungen Studenten durchaus in der Lage, selbst klarzukommen?

Eine große Schwierigkeit bleibt allerdings auf jeden Fall für die “Uni-Kids”, unabhängig davon, wie man obige Frage beantworten mag: die Unterschrift, die man ständig für alles Mögliche benötigt. Minderjährige Studenten, die weit weg von ihrem Heimatort studieren, haben da ein wirkliches Problem im Alltag.

 

Der pädagogische Eros von einst: Nur noch pädagogischer Porno

Quasi die Fortsetzung meines letzten Artikels:
No Porno lautet die Überschrift eines Artikels in der Süddeutschen mit dem Untertitel “Jede Gesellschaft hat die Universitäten, die sie verdient: In Deutschland klagen inzwischen sogar Professoren öffentlich über die ‘Verwahrlosung der Lehre'”.

Als Anreiz um Lesen:
“‘Wissenschaft’ – das hatte in Deutschland schon immer einen ganz besonderen Klang, und moderne Hochschulen sind ein Hindernisparcours von Akkreditierungsverfahren, Evaluationsorgien und Drittmittelrankings.
Nur die Härtesten kommen, durch jahrelange Berufungsverfahren und Zeitverträge gestählt, auf einen Lehrstuhl, pardon: Forschungsstuhl, um als Gremiengurus, Drittmittelabzocker oder Vielschreiber ihrer Hochschule ein möglichst gutes Abschneiden in der Exzellenzinitiative zu ermöglichen. Nicht pädagogische Eignung als Hochschullehrer gilt hierzulande als Erfolgskriterium einer akademischen Karriere, sondern der Publikationsausstoß und die Mittelbeschaffungsaffinität.
In Deutschland schwingt sich nur noch eine Minderheit der Professoren mit Lust und Laune hinters Katheder. Und wer kann es ihnen verdenken: Die beständig steigende Anzahl der Studierenden bei nahezu gleichbleibender Zahl an Lehrstühlen schafft brechend volle Hörsäle und miserable Betreuungsrelationen in den Fachbereichen. Inzwischen klagen sogar Professoren öffentlich über die “Verwahrlosung der Lehre”. Die Rede ist von “Schweigekartellen”, die Lehre sei das “letzte Tabu” der Universität. …
Ein angesehener Historiker befürchtet gar, dass ‘die Hälfte unserer Studierenden praktisch nichts lernt’. …
Mit der vielberufenen Einheit von Forschung und Lehre in Einsamkeit und Freiheit, die den Weltruf deutscher Universitäten im 19. Jahrhundert begründen half, ist es heute nicht mehr weit her: Wer viel forscht, ist ein Held. Wer viel lehrt, gilt als nützlicher Idiot. Aus dem pädagogischen Eros von einst ist längst ein pädagogischer Porno geworden: schnell, schmutzig und auf Dauer nicht richtig befriedigend.”

Summa summarum sieht es doch so aus: Vom Kindergarten bis zur Universität – die deutsche Bildungslandschaft braucht eine Totalüberholung. Besser noch: einen völligen Neuanfang.

 

Wissenschaftliche Lehre in Deutschland: Nur “Spitze” reicht nicht

In einem Bericht über Elite-Lehrstühle berichtet die SZ, dass die Bundesregierung viel Geld investieren will, um Spitzenwissenschaftler nach Deutschland (zurück-) zu holen.

Schön und gut. Soll sie. Kann nicht schaden und wird dem Wissenschaftsstandort Deutschland auf die Schnelle vielleicht wieder zu einem etwas besseren Ruf verhelfen.

Die Gefahr dabei: Statusdenken. Mehr Schein als Sein.

Solche Einzelaktionen an der Spitze dürfen keineswegs ein Ersatz sein für die grundsätzliche und nachhaltige Förderung der Lehre an den Universitäten in der Breite.
Der Abbau bürokratischer Hemmnisse für die Forschung ist dabei genauso wichtig wie die finanzielle Ausstattung von Lehrstühlen und die Herstellung vernünftiger Bedingungen für alle Arten von Professuren.

Ich finde, es geht nicht an, dass ein Juniorprofessor normalerweise im Grunde nicht mehr verdient als ein Realschullehrer nach ein paar Jahren, wobei der seinen Job meist auch noch sicher und für immer hat, ein Juniorprofessor sich aber im Normalfall von Zeitvertrag zu Fördergeldantrag zu Zeitvertrag zittern muss. Wie kann man da langfristig angelegte (Forschungs-) Arbeit leisten – von einer vernünftigen Lebens- und Familienplanung gar nicht zu reden…

So lautet dann auch das Fazit des SZ-Artikels: “Allerdings wird durch die Großzügigkeit, die einige Spitzenforscher erfahren, der Mangel in der Breite um so bedrückender. In vielen Instituten ‘zieht, tropft oder schimmelt es’, beklagt eine Allianz aus Professoren und Studenten vor dem Bildungsgipfel der Kanzlerin. Um die Unis zu sanieren und die Betreuung der Studenten zu verbessern, wären Milliardenbeträge nötig. Doch die fließen derzeit ins Bankensystem, nicht in die Wissenschaft.”

 

Dringend gesucht: Qualität und Authentizität

Im Vorfeld schon in allen Nachrichten, habe ich es mir nicht entgehen lassen, den “Skandal” auch anzusehen im Fernsehen: Marcel Reich-Ranicki verweigert die Annahme des Fernsehpreises vor Hunderten von illustren Gästen im Saal und dem ganzen Fernsehvolk draußen vor den Bildschirmen.
Nachdem so hochwertige Sendungen wie “Deutschland sucht den Superstar” ausgezeichnet worden waren, sollte Reich-Ranicki den Ehrenpreis für sein Lebenswerk bekommen. Der vorgesehene Preisträger machte jedoch allen einen Strich durch die Rechnung.

Ich schaute mir das alles dann also an gestern Abend und erwartete einen arrogant-auftrumpfenden Reich-Ranicki, wie man ihn ja nun als “Literaturpapst” so kennengelernt hat.
Nein, nichts dergleichen.
Reich-Ranicki war es eher unangenehm, all das, was er sagen musste, zu sagen. Es war eher wie bei Martin Luther: “Ich stehe hier, ich kann nicht anders.”
Er blieb sich treu – und anders als bei den zelebrierten Tränchen der vielen Möchte-Gern-Stars, die ihre Trophäe mit viel Gedöhnse bejubelten – wehte plötzlich ein Hauch von Ernsthaftigkeit durch den Raum, von Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, von Authentizität.

Das Ganze war eher berührend als ein Skandal.

Thomas Gottschalk, der Laudator Reich-Ranickis dazu: “Dass Reich-Ranicki es ablehnen würde, den Ehrenpreis anzunehmen, damit hatte ich allerdings keine Sekunde gerechnet. Andererseits steckt in der Ablehnung eine gewisse Logik: Wenn er eine halbe Stunde lang eine wild gewordene Horde Teenager sieht, Atze Schröder in einer weißen Paradeuniform, Richterin Salesch und zwei Köche mit idiotischen Texten erleben muss, ist es für ihn in der Tat konsequent zu entscheiden: Ich habe hier nichts verloren.”

Thomas Gottschalk gilt mein Respekt für seine großartige Reaktion – die auch prompt von Reich-Ranicki belohnt wurde, als er ihm in einer seiner hinreißenden Geschichten indirekt das “Du” anbot.
Das war ein fast intimer Moment in der ganzen öden Show, weit jenseits aller Anbiederei.

Danke Marcel Reich-Ranicki.

Man lese und höre und sehe
beim WDR
in der Süddeutschen Zeitung – auch hier – und die Rede Reich-Ranickis hier.
in der WAZ – mit Filmausschnitt hier
in der FAZ
in der ZEIT

Übrigens – und vielsagend:
“ZDF-Intendant Markus Schächter nannte den Auftritt Reich-Ranickis in der Nacht zu Sonntag eine ‘Sternstunde’ des Fernsehens, der ehemalige RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma bezeichnete das Geschehen als ‘pure Comedy’, ZDF-Talker und -Entertainer Markus Lanz ordnete das unter den 1500 Gästen für Aufregung sorgende Ereignis als ‘Folklore’ ein.”
Kommentar unnötig, oder?

Nachtrag:
Jetzt purzeln sie nur so, die Zeitungsberichte, die die miese Qualität des Fernsehens anprangern. Wussten wir alle das nicht schon lange??? Natürlich! Aber es bedurfte wohl eines Aktes der Wahrhaftigkeit, um tatsächlich Scheiße Scheiße nennen zu dürfen.
Man lese in der Süddeutschen: Therapie WahrheitDumpfheit, Grellheit, DummheitEine Parade von Peinlichkeiten.