Archiv für den Februar, 2011

Guttenberg und die Realität – und der Abgrund dazwischen

Wer mit Guttenberg von Herzen leiden und weinen möchte, kann das ausgiebig hier tun (ich fasse es nicht …).

Ich persönlich ziehe allerdings diesen Artikel der SZ vor: "Einem Betrüger aufgesessen":
“Frontalangriff aus Bayreuth: Der Juraprofessor Oliver Lepsius äußert sich in der Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg schärfer als es die Hochschule bislang gewagt hat. Der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater attestiert ‘Realitätsverlust’.”

Die Süddeutsche zitiert allerdings Prof. Oliver Lepsius noch ziemlich zurückhaltend. Er selbst wird im Interview sehr viel deutlicher: “… ein Ausmaß an Dreistigkeit, das wir noch nicht erlebt haben”.

Leider ist der deutliche Redebeitrag von Dr. Karl Lauterbach bei der “Aktuellen Stunde” zu Guttenberg vor dem Parlament nicht mehr live erlebbar.

Allerdings stimmt auch dies:
Fehler im deutschen System – Wider die akademische Vetternwirtschaft

Tragisch dies:
Uni Bayreuth: Professor Peter Häberle – Guttenbergs verzweifelter Doktorvater

Ach ja, es gibt übrigens aus der Twittergemeinde einen Vorschlag zur Bereicherung der üblichen Notenskala: “gutt” und “sehr gutt” …

Nein, nicht zum Lachen!

 

Der Fall Guttenberg(s) und die Missachtung des Intellekts

Was ich in meinem vorvorletzten Beitrag im Zusammenhang mit dem Guttenberg’schen Plagiat sehr verkürzt und mit grippigem Kopf in die Welt geworfen habe:

“Kein Wunder, dass dieses Land ein Problem im Umgang mit Hochbegabten und Hochbegabung hat.”

bekommt nun Sprache und Kontext durch einen Artikel der Süddeutschen Zeitung.

Titel: Die verachtete Wissenschaft

”Die Plagiatsdebatte um Verteidigungsminister Guttenberg zeigt, was Merkel & Co. sowie ein Großteil der Bevölkerung von der akademischen Welt halten. Wissenschaft ist für sie so unwichtig, dass man dort krumme Touren drehen kann.”

Ich könnte dieses Artikel eigentlich Wort für Wort zitieren, was aber nicht Sinn der Sache ist. Lest selbst. Deshalb nur noch dies:

An der Affäre wird deutlich, “… was das regierende Personal tatsächlich über die Universität denkt. Es gebe in Deutschland andere Probleme als Fußnoten, sagte Volker Bouffier, der hessische Ministerpräsident (als ob Plagiate gleich Fußnoten wären). Und die Bundeskanzlerin erklärte, sie haben einen Verteidigungsminister und keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter berufen (als ob ein Täuscher und Blender dasselbe wäre wie ein Assistent). Die beiden wissen sich einig mit einem Großteil der Bevölkerung, der Betrügereien im akademischen Betrieb offenbar für eine lässliche Sünde hält – im Unterschied zu Betrügereien im Sport, zum Doping, das in den Augen derselben Menschen unnachsichtig geahndet gehört.”

Fazit:
”Man kann nicht auf der einen Seite erklären, Bildung sei die wichtigste Ressource dieses Landes, um auf der anderen Seite die Qualifikationsstandards dem Populismus zu überlassen. Man kann Wissenschaft nicht gleichzeitig beschwören und verachten. Geschehen ist es trotzdem. Darin besteht die Verheerung, die diese Affäre zurücklässt.”

Die aufgezeigte Missachtung von Wissenschaft, Intellektualität und intellektueller Leistung führt im Grunde direkt zur Missachtung, die Hochbegabte, zumal hochbegabte Kinder, oft tagtäglich in ihrem Alltag erleben (müssen). 
Schüler, die in Sport, Musik, Kunst herausragende Leistungen zeigen, werden in Schulen trainiert, gefördert und gefeiert, ihre Urkunden und Pokale werden in Vitrinen ausgestellt. Intellektuell hochbegabte Schüler versucht man auf Normalmaß zu stutzen und zwingt ihnen oft mit aller “Macht” das Pensum der weniger begabten Gleichaltrigen auf. Unterlagen für z. B. Mathematikwettbewerbe und Juniorakademien werden oft erst gar nicht weitergereicht. Ich habe erlebt, wie ein Lehrer einem hochbegabten Jungen die Teilnahme an einem Wettbewerb untersagte mit der Begründung, er solle sich nicht so “aus dem Fenster hängen”, das sei unsozial.

Lehrer – generell Menschen – wie diese sind es, die Guttenberg zumindest indirekt weiterhin unterstützen und damit einen Verrat gutheißen und letztlich selbst begehen, der viele Dimensionen hat.

Zugespitzt: Die Duldung der Guttenberg’schen Lüge und seines Missbrauches der intellektuellen Leistung anderer ist auf engste Weise verbunden mit der Qual, der viele hochbegabte Kinder in ihrer (Schul-) Situation z. T. Tag für Tag ausgesetzt sind.

Letztlich handelt es sich wiederum auch um den Verrat an dem großen Potenzial, das Hochbegabte der Gesellschaft zur Verfügung stellen könnten, wenn man sie nur ließe.

 

Dr. strg. c. Guttenberg

So titelt die SZ – und diesen und viel mehr Gags findet man überall im Internet.

Jetzt also – aus der Not heraus – dieser publikumswirksame Schritt nach vorne, das Eingeständnis, “Blödsinn” geschrieben zu haben. Ein Eingeständnis ja, aber ein ehrliches? Ich habe da Zweifel – und nicht nur ich. Das Video ist hier zu finden.

Schon allein die Angabe, den Doktortitel nicht mehr führen zu wollen, zeigt, dass in seiner Erklärung der Populismus merkwürdige Blüten treibt: Das liegt gar nicht bei ihm, sondern an der Uni Bayreuth, zu entscheiden, ob Dr. oder Nicht-Dr.

Hektisch, wie einstudiert oder anempfohlen, hält Guttenberg immer wieder die Hand auf’s Herz, was Aufrichtigkeit und “von Herzen Leid” suggerieren soll, und auch die Sprache verrät, dass seine Erklärung von wirklicher Einsicht und Reue weit entfernt ist.

So sagt er treuherzig, dass er “gravierende Fehler gemacht habe, gravierende Fehler, die den wissenschaftlich Kodex, DEN MAN SO ANSETZT, nicht erfüllen”:
“Kodex, DEN MAN SO ANSETZT”, was heißt das denn? “Wie man so redet”? oder “Da gibt’s halt dummerweise so was, und man hat mich erwischt”? oder “Ganz ernstzunehmen ist das nicht, aber es ist halt mal so”?”

Diese Bemerkung “Kodex, DEN MAN SO ANSETZT” zeigt, dass Guttenberg die Anforderungen, die an Wissenschaft und an wissenschaftliches Arbeiten gestellt werden – und berechtigterweise gestellt werden MÜSSEN, nicht wirklich ernstnimmt, annimmt, als berechtigt ansieht – und sie schon gar nicht selbst verkörpert und als Vorbild bereit ist, sie verantwortlich weiterzugeben.

Dem ist die Wissenschaft doch scheißegal!
Jeder Student kann nun sagen: “Ich mach hier mal den Guttenberg”.

Der Arme ist einfach nur über Anforderungen, die MAN SO ANSETZT gestolpert. Das tut mir ja nun wirklich Leid.

Die Empörung aus Wissenschaftskreisen ist allzu berechtigt.

Diesem Mann – mit dieser “moralischen” Haltung – in diesem psychisch unreifen Zustand: Diesem Mann vertraut man die Soldaten in Afghanistan an.
Die Bemerkung von Bundeskanzlerin Merkel, sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder Doktoranden ins Kabinett geholt, sondern es ginge ihr um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister, die er hervorragend erfülle, und das sei das, was für sie zähle – diese Bemerkung ist die Bankrotterklärung jeden Wertebewusstseins und jeglichen Anspruches auf Integrität und Vorbildfunktion von Politikern.
“Werte-Analphabetismus” –

Die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs wegen der Nutzung des Wissenschaftsdienstes des Bundestages für seine Bastelarbeit sind weiter ungeklärt.
Hoffnungsträger und Lichtgestalt wird Guttenberg wohl bleiben. “Die Popularität kaum angekratzt, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler fast unverändert. ‘Der Mann kann demoskopisch über Wasser gehen’“, formuliert Jörg Schönenborn auf dem Tagesschau-Blog.

Das Volk bekommt letztlich halt immer die Politiker, die es verdient hat – als Spiegelbild des eigenen Zustandes und der eigenen Bedürftigkeit.

 

K. T. von Guttenberg: Gelungene geistig-moralische Wende

Mein Fazit der lautstarken Versuche, Herrn (Dr.) Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg zu verteidigen und vor den Plagiatsvorwürfen bezüglich seiner Doktorarbeit in Schutz zu nehmen (siehe z.B. hier):

Kein Wunder, dass dieses Land ein Problem im Umgang mit Hochbegabten und Hochbegabung hat.

Da ich gebeten wurde, etwas weniger kryptisch zu sein:

Es geht nicht um gute Politik(er), sondern ums “Gutverkauftwerdenkönnen” und den Partei-Erfolg.
Es geht nicht um eigene Arbeit, sondern um den schnellen Durchmarsch.
Es geht nicht um Ehrlichkeit und Wahrheit, sondern um Populismus und den blendenden Schein.
Es geht nicht um Wissenschaft, sondern um den Titel.
Es geht nicht um die intellektuelle Leistung, sondern darum, sie vorzutäuschen, zu pervertieren und zum eigenen Vorteil zu stehlen und zu missbrauchen.
Es geht nicht um die eigene Verantwortung und Verantwortlichkeit, sondern ums eigene Ego und seine Fassade.
Es geht nicht darum, zu den eigenen Fehlern zu stehen, sondern darum, den Anklagenden lächerlich oder zunichte zu machen.

Dummheit und Dreistigkeit als Normalität.

Und das Volk steht da, macht in kleinerem Maßstab nach Kräften dasselbe – und will sich vor allem den smarten Karl-Theodor von Guttenberg mit seinem bisschen Adelsglanz nicht nehmen lassen, den kleinen deutschen König Kallewitz: 2/3 der Bevölkerung will anscheinend, dass er bleibt (siehe SZ und WAZ). Der (im Moment) doktorlose Freiherr ist eben die perfekte Projektionsfläche der deutschen Befindlich- und Bedürftigkeit und das genauso perfekte Spiegelbild des Zustandes der meisten Deutschen.

Was spielt das dann schon für eine Rolle, dass laut GuttenPlag, der Internetplattform, in der die Plagiatstellen der Dissertation Guttenbergs zusammengestellt werden, mittlerweile 286 Seiten, d. h. 72,77 % der Doktorarbeit betroffen sind, Inhaltsverzeichnis, gelber Bereich und Anhänge nicht mitgerechnet.
Untenstehende Grafik zeigt das mögliche Ausmaß der Täuschung (Quelle: GuttenPlag Wiki)

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Wissenschaftsstandort Deutschland: Freue Dich!
Studenten aller Unis und Fachrichtungen: Nur zu! 72,77 % Plagiatseiten, die könnt Ihr doch auch in Euren Dissertationen schreiben, gelle? Wenn Ihr noch mehr schafft, dann gibt es vielleicht nicht nur ein “Summa cum laude”, sondern wahrscheinlich sogar ein “Summa cum laude” PLUS eine Goldene Kamera für Eure Bastelergebnisse. Also: Bemüht Euch!

Werte? Vertrauen? Wahrheit? Ehrlichkeit? Neuer Politikstil?

Vorbild?

Die ganze Geschicht’ zeigt jenseits dieser Wertefragen auch, wie wenig in Deutschland Intellekt und intellektuelle Leistung wertgeschätzt werden.

Da wird Hochbegabung allein schon als existierendes Faktum zur Bedrohung – und wenn es nur deswegen ist, dass man nichts damit anfangen kann: Da gibt es tatsächlich ein Potenzial, das das eigene meist deutlich übersteigt und das man gemeinerweise nicht kaufen kann.
Aber man kann versuchen, es zu vernichten, damit es das eigene Bild im Spiegel nicht trübt.
Am besten, man fängt bei den Kindern an.

 

Gelungene geistig-moralische Wende

Mein Fazit der lautstarken Versuche, Herrn (Dr.) Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg zu verteidigen und vor den Plagiatsvorwürfen bezüglich seiner Doktorarbeit in Schutz zu nehmen (siehe z.B. hier):

Kein Wunder, dass dieses Land ein Problem im Umgang mit Hochbegabten und Hochbegabung hat.

 

Die Schule – nicht nur – der Tiere

Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schule. Der Unterricht bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen und Schwimmen, und alle Tiere wurden in allen Fächern unterrichtet.

Die Ente war gut im Schwimmen, besser sogar als der Lehrer. Im Fliegen war sie durchschnittlich, aber im Rennen war sie ein besonders hoffnungsloser Fall. Da sie in diesem Fach so schlechte Noten hatte, musste sie nachsitzen und den Schwimmunterricht ausfallen lassen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war. Durchschnittliche Noten waren aber akzeptabel, darum machte sich niemand Gedanken darum, außer: der Ente.

Der Adler wurde als Problemschüler angesehen. Obwohl er in der Kletterklasse alle anderen schlug, wurde er unnachgiebig und streng gemaßregelt, da er darauf bestand, seine eigene Methode anzuwenden.

Das Kaninchen war anfänglich im Laufen an der Spitze der Klasse, aber es bekam einen Nervenzusammenbruch wegen des vielen Nachhilfeunterrichts im Schwimmen und musste von der Schule abgehen .

Das Pferd gab sich beim Klettern besondere Mühe. Es war nämlich schon beim Flugunterricht unangenehm aufgefallen. Im Fliegen hätte es beinahe eine Fünf bekommen und sollte jetzt Nachhilfeunterricht nehmen.

Das Eichhörnchen war Klassenbester im Klettern, seine Flugstunden aber ließ ihn sein Fluglehrer am Boden beginnen anstatt vom Baumwipfel herunter. Es bekam Muskelkater durch Überanstrengung bei den Startübungen und immer mehr „Dreien“ im Klettern und „Fünfen“ im Rennen.

Die praktisch veranlagten Präriehunde waren der Meinung, dass man Buddeln auf jeden Fall in der Schule lernen müsse. Als die Schulbehörde es ablehnte, Buddeln zu einem neuen Unterrichtsfach zu machen, gaben sie die Jungen zum Dachs in die Lehre.

Am Ende des Jahres hielt ein ziemlich seltsamer Aal, der gut schwimmen und etwas rennen, ein wenig klettern und sogar ein bisschen fliegen konnte, als Schulbester die Schlussansprache.

(Unbekannter Verfasser)