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Lob und Tadel

Also, dass man sich mit dem Thema Lob und Tadel schnell auf’s Glatteis begibt und in Gefahr gerät, mit hehren pädagogischen Argumenten erschlagen zu werden, das will ich nicht abstreiten. Im heutigen SZ-Magazin findet sich nun ein Beitrag über “unsinniges” Loben …. und ich muss gestehen, dass ich ihn sympathisch finde.

Natürlich, um das ganz klar vorweg zu sagen, werden Kinder in gewisser Weise viel zu wenig gelobt und ermuntert. Kein Zweifel!

Aber in anderer gewisser Weise werden sie oft viel zuviel gelobt.

Das Lob braucht den Tadel und die Kritik. “Ohne gelegentliche Kritik beraubt man die Kinder der Chance, eine der wichtigsten Gaben zu erwerben, die es gibt: die Gabe der Unterscheidung. Ohne Kritik lernt kein Kind das Gute vom Schlechten zu trennen, das Gute vom Bösen, das Schöne vom Hässlichen. Ohne ein ausgewogenes und differenziertes Verhältnis von Lob und Tadel lernt man kein differenziertes Denken, und es fällt schwer, das Gute vom weniger Guten, das Bessere vom Besten zu unterscheiden.”

Lob wird immer dann schräg und unangebracht, ja schädlich, wenn statt des Lobes eigentlich eine Korrektur oder eine Abgrenzung, ein “Nein”, fällig wäre, dieses aber gefürchtet bzw. nicht geleistet wird.

“Dieses lieblose Lob, das Kindern aus purer Bequemlichkeit oder Routine immer nur sagt, wie super, cool, toll sie seien, verhindert deren Entwicklung und macht sie zu Geschöpfen, die ständig zwischen Größenwahnsinn und existenzieller Unsicherheit pendeln.”

Wenn ein Kind sich, obwohl Spielgefährten da sind und kein elementares Bedürfnis des Kindes offensichtlich ist, ständig in Gespräche Erwachsener einmischt, ist es irgendwann nicht “oh, wie kommunikationsstark”, sondern die Situation anderer nicht respektierend und vorlaut. Darf man das nicht sagen?

Oder wenn ein Kind das siebzehnte Exemplar des augenscheinlich identischen Hauses in identischen Farben malt, so fällt es mir auch hier schwer, mir noch ein Lob ob der wunderbaren Kreativität des Kindes abzuringen, sondern ich beginne eher zu grübeln, ob dieses Kind nicht irgendein Problem haben könnte.

Besonders beeindruckt hat mich folgende Szene:
Mutter wartet mit 3-jähriger Tochter vor einem Krankenhaus, gelehnt an einen Blumencontainer. Tochter hat nichts Besseres zu tun, als darin eine Tulpe nach der anderen zu enthaupten. Ein älterer Mann kommt vorbei und spricht die Frau an, ob sie denn nicht sehen würde, dass ihre Tochter alle die schönen Blumen köpfte. Das könne sie doch nicht zulassen. Die Mutter strahlend zum Kind: “Es ist wirklich toll, dass du dich hier so geduldig beschäftigst!” – und zu dem älteren Herren schneidend: “Ich manipuliere doch mein Kind nicht!”

Lob, wem Lob gebührt.

 

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