Wenn Jugendliche für die Schule zu klug sind
So lautet der Artikel, den die WAZ über einen hochbegabten Underachiever veröffentlicht hat. Die darin geschilderte Schulkarriere von Jannik ist nicht untypisch. “Underachiever – Minderleister: Das ist der Ausdruck, mit dem die Forschung versucht, Hochbegabte wie Jannik zu beschreiben: Gerade weil sie so intelligent sind, versagen sie in einem Schulsystem, das sie ständig unterfordert. Underachievement ist kein Konstrukt der Wissenschaft, es ist ein echtes Problem.”
“IQ 140, dieses Ergebnis erreicht gerade einmal einer von 100 Menschen; die Zahl gilt als Schwelle zur Genialität. ‘Aber es ist mir gleichgültig. Ich hab’ ja nichts davon, wenn ich’s nicht nutze. Es ist ja nur Potenzial.’ Potenzial, das er nicht nutzen kann. Ein Lehrer sagte einmal zu ihm, ‘dass ich für ihn ein ungeschliffener Diamant bin. Das hat mich schon umgehauen. Aber ich kann mich ja nicht selber schleifen.’” – Jannik über sich selbst im O-Ton.
“Als er in der 9. Klasse nicht nur vor dem Sitzenbleiben, sondern vor dem schulischen Aus steht, schickt ihn eine Lehrerin in die Academia Generalis (Anm.: ein Institut in Mülheim). Französisch Sechs, zwei weitere Hauptfächer Fünf, zwei Nebenfächer Fünf – so kommt er an, die Motivation so tief gesunken wie die Noten. Grüter-Hommerich stellt klar: „Du willst das – oder Du willst nicht.“ Nach einer Woche kommt der Junge wieder: „Ist ok.“ Wochenlang büffelt er in der Academia, bis zu acht Stunden täglich. Mit Erfolg. „Ich hab’ geweint, als der kam und sagte: Ich bin versetzt“, erinnert sich Grüter-Hommerich. „Sonst hätte er ohne Schulabschluss auf der Straße gestanden.“ Die 10. Klasse beendet er später mit einem Durchschnitt von 2,3 – doch in der Oberstufe bricht die 140 wieder ihr Versprechen, brechen seine Noten, bricht er wieder ein.”
Ob Jannik das Abitur besteht, ist ungewiss. Ihm aber allein die Schuld an der Achterbahnfahrt, die seine Schulzeit darstellt, zu geben, ist unfair: Schule hat den Auftrag zur individuellen Förderung und wird diesem Auftrag meist nicht gerecht – zumindest nicht, was die höher begabten Kinder angeht. Schüler wie Jannik leiden darunter, drohen in nicht wenigen Fällen, zu scheitern. Solange Schulen ihre Hausaufgaben nicht machen und JEDEN Schüler gemäß seines individuellen Potenzials fördern und fordern, solange werden sie ihrem Auftrag nicht gerecht. Solange sind Schüler wie Jannik ihrer Hochbegabung unangeleitet ausgeliefert. Dass es trotzdem viele Hochbegabte gibt, die das Schulsystem als Höchstleister scheinbar unangefochten durchlaufen, ist ein Wunder. Verdienst der Schule ist es meist nicht.
Übrigens: Die Kommentare zum WAZ-Artikel zeigen mal wieder sehr ausdrucksstark das Spektrum der Meinungen von Volkes Stimme zum Thema Hochbegabung. Volkes Stimme wird ja auch immer wieder gerne genährt von unsäglichen Artikeln wie diesem im Spiegel, in dem mit aufgeheizter Wortwahl tumbe Dumpfbackigkeit bedient wird.