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Verarmung

Häufig wird im Moment, der diesjährige Weltkindertag ist heute, geklagt über die üble finanzielle Situation vieler – zu vieler – Kinder. Oft zu Recht.

Kindernot in Deutschland hat aber noch ein anderes Gesicht – meiner Meinung nach ein noch viel schlimmeres als das des Geldmangels – nämlich das der emotionalen Verelendung vieler Kinder – wobei davon durchaus auch Kinder betroffen sind, deren Familien keine finanziellen Sorgen haben.

Zerbrechen von Familienstrukturen, Statusdenken, Freizeitkicks, Arbeitslosigkeit, Süchte aller Art, Unreife, Egoismus und oft pure Gleichgültigkeit von Erwachsenen: ungezählt viele Kinder, auch aus den sogenannten “guten Verhältnissen”, sind alleingelassen mit ihre Ängsten und Problemen, unendlich einsam und allein, in Gefühlsdingen leer und orientierungslos, emotional ausgehungert, vernachlässigt und verstört – die Auswirkungen dieser Entwicklung werden wir zu spüren bekommen. In den Schulen sind es oft die Konsequenzen der Probleme dieser Art, die das Unterrichten so unendlich mühsam macht.

Die SZ legt den Focus ihres Artikels von heute auf genau diesen Punkt: “Vergessen und verloren” heißt der Artikel, in dem der Finger in eine eher in der Dunkelheit offen eiternde Wunde gedrückt wird: Nur wenn einmal wieder ein Baby alleingelassen verhungert oder totgeschüttelt aus einer Kühltruhe gefischt wurde – emotionale Traumatisierung von Kindern also auch zu einer drastisch-konkreten Konsequenz geführt hat – wird die sozial/emotionale Verelendung vieler Kinder mit einem kurzen, empörten Aufschrei beklagt.

Wieviele Kinder bekommen zu Hause schon keine wirkliche Mahlzeit mehr – von einem gemeinsamen Essen am Familientisch gar nicht zu reden… Auch dieses McDonalds-/Pommes-/Pizza-Phänomen ist häufig keine direkte Auswirkung einer finanziellen Notlage von Familien.

Das wird noch schlimm werden” – ein weiterer Artikel der SZ von heute. Ein in der Jugendhilfe aktiver Jugendpastor sagt darin: “Wir haben bereits französische Verhältnisse: In Berlin brennen ständig Autos. Es heißt dann: Der Staatsschutz ermittelt. Ja, was soll er denn ermitteln? Das ist Kinderkriminalität. Das sind ausgestoßene junge Leute, die nichts mit sich anzufangen wissen und sich in Banden zusammenrotten. Das wird noch schlimm werden. Sie glauben gar nicht, welches Ausmaß die sexuelle Verwahrlosung angenommen hat. Mit 15 haben die alles durch. Mit 16 kriegen die Mädchen ihr erstes Kind. So dreht sich die Spirale weiter. Das sind Probleme, die die gesamte Gesellschaft betreffen.”

In einer “Studie wurden 15-Jährige gefragt, wie oft sich ihre Eltern Zeit für ein Gespräch mit ihnen nehmen. Lediglich 40 Prozent antworteten mit: ‘Mehrmals in der Woche’. Damit liegt Deutschland in dieser Kategorie auf dem letzten Platz. Reichtum kann auch darin bestehen, überhaupt erst wahrgenommen zu werden.”

“Reichtum kann auch darin bestehen, überhaupt erst wahrgenommen zu werden.” – Dieser Satz kann gar nicht genug schmerzen.

Reichtum kann auch darin bestehen, überhaupt erst wahrgenommen zu werden.

 

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