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Lernfreude – Lebensfreude


Gestern wieder ging durch die Medien, dass das Bildungsniveau der Deutschen im Verhältnis zu anderen Staaten noch wieder gesunken sei.

Wen wundert’s.

Bei der jährlichen Lehrlingsauswahl für eine Ausbildung zum Bürokaufmann war ein erschreckendes Erlebnis, dass wirklich von Jahr zu Jahr das Niveau der Anwärter dramatisch sank. Besonders beunruhigend zu beobachten war dabei weniger das tatsächliche Absinken der Noten (bis hin zu schlechten Noten in sonst sicheren Fächern wie Sport, Religion, Kunst), sondern vor allem das Verschwinden an grundsätzlicher Motivation, ja: das Verschwinden an Lebensinteresse. Es existierte dabei kaum ein erwähnenswerter Unterschied zwischen Hauptschülern und Gymnasiasten.
Da gab es keine wirklichen Hobbys mehr, keine Teilnahme an irgendwelchen Aktivitäten, kein (ehrenamtliches) Engagement, keine Vereinszugehörigkeit, keine individuellen Besonderheiten: “Computer, Musikhören” war die Standardangabe zu den Hobbys – und zwar zu fast 100%. Nichts weiter! Da war noch nicht einmal ein emotional trotziges “Null-Bock” zu spüren, sondern nur gähnende, schwarze Öde, Leere.
Eine erschreckende Lethargie bei jungen Menschen, die doch eigentlich gerade erst anfingen, das Leben zu entdecken, aber von vorneherein keine Lust daran zu zeigen schienen, sich im Geben und Nehmen dem offen zuzuwenden, was das Leben an Möglichkeiten für sie bereitstellt.

Alle Reformen, so begrüßenswert sie sein mögen, greifen so lange nicht, wie die Atmosphäre in Schulen, in Elternhäusern – ja überall – nicht lernfreudig, nicht lebensfreudig ist.

Reformen innerhalb eines toten Systems bringen nicht weiter.

“Wann sollen wir das denn alles auch noch machen!”, stöhnen die Lehrer, und sie haben insofern Recht, als sie individuelle Förderung innerhalb des alten Rahmens des in 45 Minuten eingepressten Frontalunterrichtes vor über 30, zum Teil schwierigen, sprach- und/oder verhaltensgestörten, Schülern wirklich nicht leisten können.

Diese starre System ist es, was verändert werden muss. Vor allem im Grundschulbereich hat der Gesetzgeber – jedenfalls in NRW – schon vor etlichen Jahren alle Möglichkeiten dazu eröffnet. Dort geht eine Menge. Es wird nur nicht wirklich genutzt, weil meist der Mut zu Neuem fehlt.

Lehrer, die in Schulen arbeiten, in denen projektabhängige Zeitschienen existieren, in denen Schüler, angeleitet, jahrgangsübergreifend frei an Themen arbeiten und Lernen lernen können, erzählen unisono, dass all dies weniger Arbeit bedeutet, dass mehr Zeit bleibt für die individuelle Beobachtung und Unterstützung der Schüler, dass all dies befriedigender sei für Lehrer und Schüler – und die gesamte Atmosphäre sich gewandelt habe hin zu einem sachbezogenen kommunikativen Miteinander.

Dafür aber sind neue Strukturen nötig, die gar nicht mehr kosten müssen als es die ständige “Reparatur” und Aufrechterhaltung des alten Systems tut, ohne effektiv zu sein.

Lehrer zu sein, bedeutet nicht vordringlich, alles zu wissen und “Stoff” zu vermitteln. Es bedeutet, in Beziehung zu treten, den Schülern dabei zu helfen, lernen zu lernen, leben zu lernen.
Eigentlich: Was für ein wunderbarer Beruf!

 

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