Der pädagogische Eros von einst: Nur noch pädagogischer Porno
Quasi die Fortsetzung meines letzten Artikels:
No Porno lautet die Überschrift eines Artikels in der Süddeutschen mit dem Untertitel “Jede Gesellschaft hat die Universitäten, die sie verdient: In Deutschland klagen inzwischen sogar Professoren öffentlich über die ‘Verwahrlosung der Lehre'”.
Als Anreiz um Lesen:
“‘Wissenschaft’ – das hatte in Deutschland schon immer einen ganz besonderen Klang, und moderne Hochschulen sind ein Hindernisparcours von Akkreditierungsverfahren, Evaluationsorgien und Drittmittelrankings.
Nur die Härtesten kommen, durch jahrelange Berufungsverfahren und Zeitverträge gestählt, auf einen Lehrstuhl, pardon: Forschungsstuhl, um als Gremiengurus, Drittmittelabzocker oder Vielschreiber ihrer Hochschule ein möglichst gutes Abschneiden in der Exzellenzinitiative zu ermöglichen. Nicht pädagogische Eignung als Hochschullehrer gilt hierzulande als Erfolgskriterium einer akademischen Karriere, sondern der Publikationsausstoß und die Mittelbeschaffungsaffinität.
In Deutschland schwingt sich nur noch eine Minderheit der Professoren mit Lust und Laune hinters Katheder. Und wer kann es ihnen verdenken: Die beständig steigende Anzahl der Studierenden bei nahezu gleichbleibender Zahl an Lehrstühlen schafft brechend volle Hörsäle und miserable Betreuungsrelationen in den Fachbereichen. Inzwischen klagen sogar Professoren öffentlich über die “Verwahrlosung der Lehre”. Die Rede ist von “Schweigekartellen”, die Lehre sei das “letzte Tabu” der Universität. …
Ein angesehener Historiker befürchtet gar, dass ‘die Hälfte unserer Studierenden praktisch nichts lernt’. …
Mit der vielberufenen Einheit von Forschung und Lehre in Einsamkeit und Freiheit, die den Weltruf deutscher Universitäten im 19. Jahrhundert begründen half, ist es heute nicht mehr weit her: Wer viel forscht, ist ein Held. Wer viel lehrt, gilt als nützlicher Idiot. Aus dem pädagogischen Eros von einst ist längst ein pädagogischer Porno geworden: schnell, schmutzig und auf Dauer nicht richtig befriedigend.”
Summa summarum sieht es doch so aus: Vom Kindergarten bis zur Universität – die deutsche Bildungslandschaft braucht eine Totalüberholung. Besser noch: einen völligen Neuanfang.
Sabine schrieb am 16. Oktober 2008 um 18:38:
“Summa summarum sieht es doch so aus: Vom Kindergarten bis zur Universität – die deutsche Bildungslandschaft braucht eine Totalüberholung. Besser noch: einen völligen Neuanfang.”
Diesen Satz unterschreibe ich sofort.
Es ist in den letzten Jahren immer nur Flickschusterei am Bildunssystem betrieben worden. Dabei sind unsere Kinder nicht selten Versuchskaninchen neuer Ansätze gewesen, die oft nach kurzer Zeit wieder verworfen oder durch neue Ansätze ersetzt wurden. Bildung ist der einizge Rohstoff, den Deutschland hat. Damit sollte man ganz behutsam umgehen.
Sabine
Ellen schrieb am 17. Oktober 2008 um 08:48:
Bei alldem frage ich mich aber: Wie soll ein Neuanfang moeglich sein, ohne, dass vollkommenes Chaos ausbricht, ohne, dass eine Generation Schueler unter einer Neustrukturierung leidet, moeglicherweise noch viel mehr, als sie es unter den jetzigen Bedingungen tut?
Wenn endlich einmal Leute, die tatsaechlich Ahnung von der Materie haben, Reformen oder eine Neuorganisation der Schule machen, waere das ja ganz toll.
Aber das bisschen, was ich schon erlebt habe (12jaehriges Gymnasium, Umsetzung des Bolognaprozesses) ist ziemlich gruendlich in die Hose gegangen.
(Holla, bin ich aber pessimistisch… *lach*)
speybridge schrieb am 17. Oktober 2008 um 09:25:
Ja, ein Neuanfang ist reine Utopie. Allein schon das, was ich für unabdingbar halte in dem Zusammenhang, dass nämlich die vielen Bundesländer nicht mehr allein zuständig sein dürfen für ihr jeweilig kleines Gummiboot in der Bildungspoltitik, ist reines Wunschdenken. Es wird über viele Jahre hin bei der jetzigen Flickschusterei bleiben. Naja, eine Schnecke kommt auch irgenwann ans Ziel…