Was und Wie
WAS und WIE sind unzertrennbare Bestandteile eines jeden Handelns. Das WAS ist der wahrnehmbare äußere Teil, der Inhalt der Handlung mit ihren Umgebungsvariablen und Bewertungskriterien wie “richtig”, “falsch”, “lästig”, “aufregend”, “notwendig”. Das WIE ist dagegen die der Ausführung der Handlung zugrunde liegende und sie prägende “unsichtbare” Qualität.
Heutzutage dominiert häufig das WAS, die Menge des Tuns im Multitasking, die Außergewöhnlichkeit und Brillanz des Getanen, die Korrektheit von Handlungen, der Status und die Bezahlung, die Tun verleiht.
Von der Qualität des Tuns, die über ein “richtig” oder “falsch” weit hinausgeht und die letztlich nichts mit Erfolg oder Misserfolg von Handlung zu tun hat, wird weniger geredet.
Das, WAS zu tun ist in unserem Alltag, ist sehr häufig festgelegt und wenig veränderbar. Vollständig frei aber sind wir darin, WIE wir die Dinge tun, die wir tun und häufig tun müssen.
Um Missverständnissen sofort vorzubeugen: Beim WIE des Tuns geht es nicht darum, keine Fehler zu machen, die Dinge “besonders gut machen zu wollen”, sie artifiziell zu überhöhen, zu ziselieren, durch ein überbewusstes Zeitlupentempo zu verfälschen oder mit anderen Mitteln zu verkünsteln.
Bei WIE geht es um den Zustand, aus dem heraus man das tut, was zu tun ist. Es geht um Wahrhaftigkeit, Ernsthaftigkeit, Authentizität, Identität mit dem Tun, ohne verzerrende Ich-Bedürfnisse damit befriedigen zu wollen.
Ein erhellendes Beispiel dafür, dass “perfektes” Tun dennoch einem falschen Zustand entspringen kann, findet sich in dem wunderbaren Buch von Pascal Mercier “Nachtzug nach Lissabon“:
“Der Nachmittag begann mit Griechisch. Es war der Rektor, der unterrichtete, der Vorgänger von Kägi. Er hatte die schönste griechische Handschrift, die man sich denken konnte, er malte die Buchstaben förmlich, und besonders die Rundungen – etwa im Omega oder Theta, oder wenn er das Eta nach unten zog – waren die reinste Kalligraphie. Er liebte das Griechische. Aber er liebt es auf die falsche Weise, dachte Gregorius hinten im Klassenzimmer. Seine Art, es zu lieben, war eine eitle Art. Es lag nicht daran, dass er die Wörter zelebrierte. Wenn es das gewesen wäre – es hätte Gregorius gefallen. Doch wenn dieser Mann virtuos die entlegensten und schwierigsten Verbformen hinschrieb, so zelebrierte er nicht die Wörter, sondern sich selbst als einen, der sie konnte. Die Wörter wurden dadurch zu Ornamenten an ihm, mit denen er sich schmückte. … Sie flossen aus seiner schreibenden Hand mit dem Siegelring, als seien auch sie von der Art der Siegelringe, eitler Schmuck also und ebenso überflüssig. Und damit hörten die griechischen Wörter auf, wirklich griechische Wörter zu sein. Es war, als zersetzte der Goldstaub aus dem Siegelring ihr griechisches Wesen, das sich nur demjenigen erschloß, der sie um ihrer selbst willen liebte.” (btb, S. 55)
Es ist mittlerweile aus der Hirnforschung bekannt, dass im Menschen nur sehr wenige der konkret wahrnehmbaren Phänomene eine Rolle spielen bei der Wahrnehmung und Einschätzung von Personen und Vorgängen oder bei Entscheidungen. Es sind diese “unsichtbaren” WIE-Qualitäten wie Aufrichtigkeit, Integrität und Selbstlosigkeit bzw. ihre Gegenteile, die wir unbewusst aufnehmen und auswerten.
Es ist das WIE, das über die Qualität unseres Handelns entscheidet. Das WIE ist Ausdruck unseres Geworden-Seins als Menschen, Ausdruck unseres Reifezustandes. Deswegen ist es letztlich unmöglich, das WIE unseres Tuns zu manipulieren. Sehr wohl aber können wir es verändern und verbessern durch die Intensivierung des Entwicklungsprozesses auf dem Weg zu uns selbst.
In einer Geschichte aus dem Zen-Buddhismus wird die Bedeutung der WIE-Qualität wiederum deutlich: Ein berühmter Meister machte sich die Mühe, einen anderen Meister in seiner Einsiedelei aufzusuchen. Auf die erstaunte Frage, warum er, der große Meister, denn noch zu einem anderen Meister gegangen sei, antwortet er: “Ich wollte zu ihm, um zu sehen, wie er seine Schuhe zuschnürt.”
Nichts Besonderes. Authentizität, Identität. Das Einfache als Ausdruck der Vollendung.
Speybridge » Blog Archive » Vorbild schrieb am 17. Januar 2013 um 10:13:
[…] Nicht WAS wir tun – wie oft können wir das gar nicht wählen –, ist wichtig, sondern WIE wir es tun. Darin sind wir immer frei. Ich habe hier auf speybridge schon darüber geschrieben. […]