Sind Frauen zuständig für die Entwicklung der “männlichen Identität”?
Es gibt durchaus die Tendenz, zu beweinen, dass Männer ja nun auch mittlerweile durch die starke Veränderung bei den Frauen ein Identitätsproblem hätten, da die alten Muster nicht mehr funktionierten – und Mann oft nicht mehr wisse, was Mannsein denn eigentlich heiße, weil dies und jenes durchaus Widersprüchliches von ihm erwartet werde. Außerdem seien Jungs inzwischen einer stark entwickelten weiblichen Welt ausgesetzt, in der sie keine Rollenvorbilder mehr hätten, kaum mehr eine “männliche Identität” aufbauen und ihre Kraft nicht mehr ausleben könnten etc.
Der Witz dabei ist, dass dieses Problem gerne oft den Frauen angelastet und vorgeworfen wird, die ja von der Mutter bis zur Grundschullehrerin die Erziehung der Kinder hauptsächlich prägen.
Aber genau da ist ja der Knackpunkt: Die Jungs und Männer TUN es eben nicht, in voller Konsequenz erziehen und Vorbild sein. Das Ganze bleibt immer noch den Frauen überlassen. Ganz stolz wird es als Erfolg gewertet, dass Väter nun ab und an (jedenfalls wenige Prozent der Väter) nach der Geburt ihrer Kinder die Elternzeit nutzen.
Die Väter sind es nicht, die im Zweifelsfall zu Hause bei den Kindern bleiben.
Sie sind es nicht, die bei einer Trennung die Kinder übernehmen und bei Halbtagsjob und ständiger Überlastung und schlechtem Gewissen und oft wenig Geld in Erwartung einer Mini-Rente alles managen.
Sie sind es nicht, die in KiTas und Grundschule die mühevolle Kleinarbeit übernehmen, die “Rotznasen” aufs Leben vorzubereiten.
Warum nicht?
Weil es keinen Status bietet.
Weil die Karriere leidet.
Weil Altersarmut droht.
Weil es gesellschaftlich nicht anerkannt ist.
Weil es oft eintönige und dreckige Wiederholungarbeit ist.
Und weil es gar nicht oder Scheiße bezahlt wird.
Im Klartext: Männer wollen die Erziehungsarbeit in voller Konsequenz nicht tun, erwarten aber von den Frauen, denen man dieses Feld immer noch gerne überlässt, den Jungs die Entwicklung einer “männlichen” Identität zu ermöglichen. Sonst sind all die Mütter, Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen natürlich daran Schuld, dass die Jungs ihr Jungssein nicht auf die Reihe kriegen.
Im Ernst: Können Frauen Jungs eine “männliche Identität” vermitteln?
Sind Frauen daran Schuld, dass Männer Jungs kein positives Rollenbild vermitteln und vorleben, weil sie in der Kleinkinderziehung kaum präsent sind und sie delegieren?
Was denn noch?
Frauen kämpfen für eine neue Identität – natürlich nicht immer mit den richtigen Mittel, denn es gibt keinen festgelegten Weg, weil das alles Neuland ist. Aber sie ringen. Try and error.
Ringen um die eigene Identität: Das können Frauen den Männer aber nicht abnehmen, das für sich selbst zu tun.
Wenn viele Männer jammern – Ausnahmen bestätigen die Regel –, dass sie mittlerweile “als Mann” zu kurz kämen oder desorientiert wären, ist das einfach nur lächerlich und ein Armutszeugnis für die Psyche der Männer und repräsentiert – wie die OECD-Studie zeigt – in keiner Weise die herrschenden (ökonomischen) Verhältnisse.
Eine eigene neue “männliche” Identität zu entwickeln, das ist eine psychologische Anfrage an die Männer selbst – und auch eine soziale Aufgabe. Diese aber kann man(n) nun wirklich nicht an die Frauen delegieren so wie bisher gewohnt so vieles andere Soziale.
Und genau da liegt wohl der Knackpunkt: Die Männer sind für ihre Identität als Mann selbst zuständig und verantwortlich. Es ist in IHRER Hand und IHRER Verantwortung, sie zu entwickeln – auch im Hinblick auf ihre Söhne. Keiner sagt, dass das einfach ist.
Mami kann ihnen diese Arbeit aber nicht abnehmen.