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Last Night of the Proms

Gestern Abend war im NDR-Fernsehen die Übertragung des berühmten zweiten Teils der “Last Night of the Proms” aus der Royal-Albert-Hall in London zu sehen.

Es war wieder bewegend, mitzubekommen, wie diese Veranstaltung – sehr ritualisiert in ihrem Ablauf, in ihrem Repertoire, und doch immer wieder spielerisch neu und selbstironisch inszeniert – die Briten eint, sie zusammenschweißt, wo auch immer sie leben.

Zehntausende waren in Parks in London/England, Glasgow/Schottland, Swansea/Wales und Belfast/Nordirland vor riesigen Leinwänden zusammengekommen und sangen zusammen und zur selben Zeit dieselben Lieder, vereint in einem Geschehen, das – über alle Gegensätze und Unabhängigkeitsbestrebungen hinweg – für sie zutiefst sinn- und identitätsstiftend ist.

Eins-Werden im Singen von “Rule Britannia”, “Land of Hope and Glory”, “Jerusalem”, das interessanterweise auch ein Kirchenlied ist, der Nationalhymne und vor allem der “Auld Laing”, das unserem “Nehmt Abschied Brüder” entspricht.

Bewegende Bilder aus den Parks: Singen mit ganzem Körper, aus ganzem Herzen. Das Ganze eine kollektive Herzberührung. Da war so etwas wie eine authentische Liebe zur eigenen Tradition, der man ja ansonsten nun auch nicht unkritisch gegenübersteht, zu spüren. Da sah man, man verzeihe mir das Wort, wirklich die “Volksseele”.

Wir haben hier in Deutschland nichts Vergleichbares.
Vielleicht gab es bei der WM im Sommer zum ersten Mal flüchtige Ansätze in diese Richtung: Momente, Glücksmomente, in denen die Menschen sich eins fühlten mit sich und ihrem Land, ohne dass dabei ein merkwürdiger Beigeschmack entstand.
Vielleicht können wir da vorsichtig, vorsichtig weitermachen. Von der Innigkeit, mit der die “verrückten” Engländer im Grunde ihres Herzens an ihrem Land hängen, sind wir chronisch unzufriedenen Deutschen allerdings noch weit entfernt.

 

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